Was wäre, wenn das wöchentliches Gemüse mit einem guten Zweck verbunden ist?

In der ganzen Schweiz entdecken hunderte Menschen neu, was es bedeutet, gemeinsam Lebensmittel anzubauen.

Sie pflanzen, ernten und teilen frische Produkte direkt aus dem Boden – und bauen dabei nicht nur lokale Ernährungssysteme, sondern auch Gemeinschaft wieder auf.

Diese wachsende Bewegung nennt sich Solidarische Landwirtschaft (SOLAWI) bzw. Regionale Vertragslandwirtschaft (RVL).

Es ist eine Partnerschaft zwischen Bauern und Konsumenten, die auf Solidarität, Transparenz und Sorgfalt für das Land basiert.

Wenn Überfluss zum Problem wird

Über Jahrzehnte konzentrierte sich das globale Ernährungssystem darauf, mehr zu produzieren – mehr Ertrag, mehr Kalorien, mehr Profit.

Die sogenannte Grüne Revolution brachte industrielle Dünger, Pestizide und ertragreiche Sorten, die Millionen Menschen ernährten. Doch der Preis dafür war hoch.

Die industrielle Landwirtschaft hat die Bodendegradation beschleunigt: Intensive Monokulturen, intensive Bodenbearbeitung und hoher Einsatz von Chemikalien laugen die Böden aus, zerstören ihre Struktur und verstärken die Erosion. Fruchtbarer Boden verliert dadurch seine Nährstoffe und Widerstandsfähigkeit (UNEP).

Diese Verschlechterung führt auch zu einem Verlust der biologischen Vielfalt. Drei Nutzpflanzen – Reis, Mais und Weizen – liefern heute 60 % der weltweiten Kalorien und verdrängen Tausende einheimischer Arten sowie die von ihnen abhängigen Insekten, Vögel und Mikroorganismen. Düngemittel belasten zudem Flüsse und Meere. Die Landwirtschaft verursacht rund ein Viertel der globalen Treibhausgasemissionen und nutzt die Hälfte der bewohnbaren Erdfläche.

Dieses System schadet nicht nur der Natur, sondern auch den Menschen.

Industrielle Landwirtschaft setzt Arbeiter und Wildtiere Giftstoffen aus, fördert Entwaldung und Antibiotikaresistenzen. Viele Bauern kämpfen ums Überleben, obwohl sie Rekordernten produzieren.

Lebensmittel wurden zur billigen Ware – reichlich vorhanden, aber weit entfernt von ihrem wahren Wert.

Kurz gesagt: Unser Ernährungssystem ernährt die Welt, aber es pflegt sie nicht.

Lebensmittel anders anbauen

lokal angebaute Lebensmittel Schweiz

SOLAWI stellt diese Logik auf den Kopf.

Statt anonymer Lieferketten entstehen direkte Partnerschaften zwischen Bauern und Konsumenten. Die Höfe arbeiten zudem mit regenerativen Methoden, die Boden und Biodiversität schützen.

Die Mitglieder zahlen zu Saisonbeginn einen festen Betrag und teilen Risiken und Erträge. Sie erhalten regelmässige Anteile an frischem, saisonalem Gemüse – oft am selben Tag geerntet. Viele helfen bei Pflanztagen, Erntefesten oder Einsätzen auf dem Feld mit.

Hier wird für Menschen angebaut, nicht für Märkte – ein System, das auf Fairness, Vertrauen und Transparenz basiert.

Bauern gewinnen finanzielle Sicherheit und können sich auf Bodenfruchtbarkeit, Biodiversität und verantwortungsvolle Praktiken konzentrieren.

Konsumenten gewinnen mehr als nur Gemüse: sie gewinnen Beziehung – zu den Menschen und Orten, die sie ernähren.

Ein Modell, von dem alle profitieren

SOLAWI bringt Nachhaltigkeit auf den Boden zurück – im wahrsten Sinne.

Durch biologische oder regenerative Methoden, kurze Transportwege und den Verzicht auf Verpackungen beleben diese Höfe den Boden, reduzieren Emissionen und stärken lokale Ökosysteme.

Für Teilnehmende ist es zudem eine Möglichkeit, im Alltag wieder mit der Natur in Kontakt zu kommen.

Wer selbst Hand anlegt, profitiert von Bewegung an der frischen Luft, Stressabbau und einem besseren Verständnis für saisonale Rhythmen.

Es macht aus Nahrung keine Transaktion, sondern eine Erfahrung – eine, die Gemeinschaft und Wohlbefinden stärkt.

SOLAWI verändert zudem lokale Wirtschaftskreisläufe: Bauern und Konsumenten gestalten transparente, regionale Ernährungssysteme. Das schafft Resilienz – für Höfe und ganze Gemeinden.

Die SOLAWI-Bewegung in der Schweiz

Die ersten SOLAWI-Höfe entstanden in den späten 1970er-Jahren, inspiriert durch Modelle aus Japan und den USA.

Nach einem ruhigen Start wächst die Bewegung wieder: heute gibt es rund 40 Initiativen im ganzen Land.

Einige Beispiele:

  • Pura Verdura (Zürich): Mehr als ein Gemüsekorb – Mitglieder helfen bei Ernte, Transport und Planung.
  • Solawi Halde (Altendorf, Zürich): Ein biocyclisch-veganer Betrieb – ohne Traktoren, ohne tierische Dünger, mit Fokus auf Bodenaufbau.
  • meh als gmües (Zürich): Eine Genossenschaft mit etwa 20 Arbeitsstunden pro Saison und wöchentlicher Erntebeteiligung.
  • Herbstzeitlosen (Obermettlen, Bern): Ein SOLAWI-Modell, das ethische Tierhaltung mit Gemeinschaftsbezug verbindet.

Alle Projekte sind unterschiedlich – aber sie teilen ein Prinzip: Wenn Menschen sich wieder mit dem Land verbinden, wird Nahrung zu einer regenerativen Kraft.

Wie du mitmachen kannst

Fühlst du dich inspiriert, selbst Hand anzulegen? Hier sind ein paar Möglichkeiten, wie du anfangen kannst:

🌱 Tritt einer lokalen SOLAWI-Initiative oder einem Gemeinschaftsgarten bei oder unterstütze diese.
Finde eine Initiative in deiner Nähe und melde dich als Mitglied an. Oder engagiere dich ehrenamtlich bei einem Pflanztag. Oftmals betreiben auch Gemeinden eigene Gartenprojekte. Erkundige dich bei deiner Gemeinde nach Gemeinschaftsgärten in deiner Umgebung.

lokal angebaute Lebensmittel Schweiz

Wenn du in Davos bist, melde dich bei uns! Wir führen eine Reihe von Initiativen durch, wie zum Beispiel:

  • einen Bio-Gemüsegarten und Kurse
  • ein Kompost- und Biowaste-Projekt
  • Workshops im Rahmen von Davos Tourismus zu Wildkräutern, Fermentation u.a.
  • einen Mini-Alpengarten im Kirchner Museum

Mehr informationen findest du hier.

Selbst ernten
Besuche eine der vielen „Selberpflücken“-Farmen in der Schweiz:

Lokal einkaufen
Unterstütze Hofläden oder Abo-Kisten wie:

Klein anfangen
Ziehe Kräuter oder Tomaten auf dem Balkon – selbst kleine Pflanzen lassen uns Naturkreisläufe erleben.

Lebensmittel anbauen, Verbindungen aufbauen

SOLAWI erinnert uns daran, dass Nahrung mehr sein kann als ein Produkt – sie kann eine Beziehung sein.

Jede geteilte Ernte schafft Vertrauen, Resilienz und Zugehörigkeit.

Wenn wir gemeinsam Lebensmittel anbauen, entsteht etwas viel Grösseres:

eine Kultur der Fürsorge – für uns selbst, füreinander und für den Planeten.